Eliot

Eliot
Eliot
 
['eljət],
 
 1) Charles William, amerikanischer Bildungspolitiker, * Boston (Massachusetts) 20. 3. 1834, ✝ Northeast Harbor (Me.) 22. 8. 1926; war 1869-1909 Präsident der Harvard University, die er durch umfangreiche Reformen zur führenden modernen Universität der USA machte.
 
 2) George, eigentlich Mary Ann Evans ['evnz], englische Schriftstellerin, * Arbury Farm (bei Coventry) 22. 11. 1819, ✝ London 22. 12. 1880. Methodistisch erzogen, früh selbstständig, lebte Eliot seit 1841 in Coventry, wo sie sich dem Freidenkertum zuwandte; lebte 1854-78 mit dem Kritiker G. H. Lewes zusammen, heiratete nach dessen Tod 1880 den gemeinsamen Freund, den amerikanischen Bankier John Walter Cross (* 1840, ✝ 1924). Eliot beschäftigte sich mit bibelkritischen und positivistischen Schriften; übersetzte 1846 D. F. Strauss' »Leben Jesu« und 1854 L. Feuerbachs »Wesen des Christentums«; war Mitarbeiterin, 1851-54 auch Mitherausgeberin der »Westminster Review«. Sie begann erst im Alter von 37 Jahren Romane zu schreiben. Schon die früheren, besonders »Adam Bede« (3 Bände, 1859, deutsch) und »The mill on the Floss« (3 Bände, 1860, deutsch »Die Mühle am Floss«), die in der mittelenglischen Provinz spielen, zeichnen sich durch psychologische Einfühlung sowie sozialethische und intellektuelle Durchdringung aus. In den späteren Werken, von denen namentlich »Middlemarch. A study of provincial life« (4 Bände, 1871-72, deutsch »Middlemarch. Aus dem Leben der Provinz«) als einer der bedeutendsten englischen Romane des 19. Jahrhunderts gilt, schildert Eliot gesellschaftliche Verhältnisse als verzweigte Geflechte menschlicher Schicksale und charakterliche Entwicklungen. Die dabei erreichte Erzählkunst markiert den Beginn des modernen englischen Romans; sie wurde von H. James weitergeführt. Bemerkenswert sind ferner der historische Roman »Romola« (3 Bände, 1862-63, deutsch), der sozialkritische Industrieroman »Felix Holt the radical« (3 Bände, 1866, deutsch »Felix Holt«) und die einfühlsame Auseinandersetzung mit dem Judentum in »Daniel Deronda« (4 Bände, 1876, deutsch).
 
Weitere Werke: Scenes of clerical life, 2 Bände (1858, Erzählungen; deutsch Bilder aus dem kirchlichen Leben Englands); Silas Marner (1861, R.; deutsch).
 
Ausgaben: Works, 12 Bände (1901-08); The letters, herausgegeben von G. S. Haight, 7 Bände (1954-55); The essays, herausgegeben von T. Pinney (1963); The novels, herausgegeben von G. S. Haight, auf mehrere Bände berechnet (1980 ff.); Collected poems, herausgegeben von L. Jenkins (1989).
 
 
B. Hardy: The novels of G. E. (London 1959);
 W. Allen: G. E. (New York 1964);
 R. Lidell: The novels of G. E. (London 1977);
 G. S. Haight: G. E. A biography (Neuaufl. Oxford 1978);
 K. M. Newton: G. E., romantic humanist (Totowa, N. J., 1981);
 F. B. Pinion: A G. E. companion (London 1981);
 G. Levine: An annotated critical bibliography of G. E. (Brighton 1988);
 E. Maletzke: G. E. Ihr Leben (1993).
 
 3) Sir (seit 1618) John, englischer Politiker, * Saint Germans (bei Plymouth) 11. 4. 1592, ✝ London 28. 11. 1632; wurde 1614 Mitglied des Unterhauses; wiederholt wegen seiner oppositionellen Haltung gegen Steuererhebungen durch die Krone verhaftet, starb als Märtyrer des parlamentarischen Widerstands im Tower.
 
 4) T. S. (Thomas Stearns), amerikanisch-englischer Dichter und Kritiker, * Saint Louis (Missouri) 26. 9. 1888, ✝ London 4. 1. 1965. Nach einer streng puritanischen Erziehung studierte Eliot an der Harvard University und in Europa (u. a. an der Sorbonne und in Oxford). Seit 1914 lebte er in London, zunächst als Bankbeamter; 1927 wurde er britischer Staatsbürger und trat 1928 zur anglikanischen Kirche über. 1922-39 gab er die von ihm mitgegründete literarische Zeitschrift »The Criterion« heraus; ab 1926 war er (bis zu seinem Lebensende) Direktor des Verlages Faber & Gwyer (später Faber & Faber). 1948 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.
 
Eliot gab der Literatur der Gegenwart entscheidende sprachliche und formale Impulse. Im Widerspruch zur vorherrschenden spätromantischen Tradition griff er auf die klassische Literatur und die englische Dichtung des 17. Jahrhunderts (Metaphysical Poetry) zurück. Unter dem Einfluss der französischen Symbolisten, v. a. J. Laforgues, schrieb er Lyrik in freien Rhythmen und ironisch-distanziertem Ton (»Prufrock and other observations«, 1917). Seine Sprache orientiert sich am modernen Konversationsstil, seine Metaphern entstammen der großstädtischen Zivilisation. Dabei ist seine Lyrik reich an Anspielungen auf Mythos, Kultur und Dichtung der Jahrtausende. Dichten hieß für ihn, Gefühle in »objektive Korrelate« überführen (»The sacred wood«, 1920, Essays). Seine Lyrik erreicht in der Dichtung »The waste land« (1922, deutsch »Das wüste Land«), die unter Mitwirkung E. Pounds entstand und Eliots bleibenden Ruhm begründete, sowie in der Dichtung »Four quartets« (1943, deutsch »Vier Quartette«), die als sein bedeutendstes Werk gilt, ihre poetischen Höhepunkte; sie spiegelt die aus den Fugen geratene Welt der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und will das Existenzproblem des modernen Menschen durch die Hinwendung zu einem christlichen Humanismus lösen.
 
In seinen Bühnenwerken unternahm Eliot eine Wiederbelebung des poetischen Dramas. Nach dem im Auftrag der Kirche geschriebenen Mysterienspiel um Thomas Beckett »Murder in the cathedral« (1935, deutsch »Mord im Dom«) ließ er in seinen späteren Dramen hinter vordergründig moderner Gesellschaftsszenerie schon seit der antiken Dichtung vertraute menschliche Konfliktsituationen sichtbar werden, in denen das Christentum ausgleichend und versöhnend wirkt (»The family reunion«, 1939, deutsch »Der Familientag«; »The cocktail party«, 1950, deutsch »Die Cocktailparty«).
 
Eliots Vorstellungen von einer christlichen Gesellschaft in der modernen Kultur zeigen auch seine Essays »The idea of a Christian society« (1939, deutsch »Die Idee einer christlichen Gesellschaft«) und »Notes towards the definition of culture« (1948, deutsch »Beiträge zum Begriff der Kultur«). In seiner Literaturkritik setzt er sich eingehend mit der literarischen Tradition auseinander.
 
Weitere Werke: Lyrik: Ash Wednesday (1930; deutsch Aschermittwoch); Old Possum's book of practical cats (1939; deutsch Old Possums Katzenbuch; danach das Musical Cats).
 
Ausgewählte Gedichte (1950).
 
Dramen: The confidential clerk (1954; deutsch Der Privatsekretär); The elder statesman (1959; deutsch Ein verdienter Staatsmann).
 
Essays: For Lancelot Andrewes (1928); After strange gods (1934); Essays ancient and modern (1936); Poetry and drama (1951); On poets and poetry (1957; deutsch Dichter und Dichtung).
 
Ausgaben: Ausgewählte Essays. 1917—1947, herausgegeben von H. Hennecke (1950); Collected poems, 1909-62 (1963); Werke, 4 Bände (1966-72); The complete poems and plays (1969); Die Dramen (1974); Selected prose (1975); Essays, 2 Bände (1988); The letters of T. S. Eliot, herausgegeben von V. Eliot, auf mehrere Bände berechnet (1988 folgende).
 
 
H. Gardner: The art of T. S. E. (London 1949, Nachdr. 1972);
 
Zur Aktualität T. S. E.s: zum 10. Todestag, hg. v. H. Viebrock u. A. P. Frank (1975);
 S. Spender: T. S. E. (New York 1976);
 W. Riehle: T. S. E. (1979);
 B. Ricks: T. S. E. A bibliography of secondary works (Metuchen, N. J., 1980);
 
T. S. E., the critical heritage, hg. v. M. Grant, 2 Bde. (London 1982);
 P. Ackroyd: T. S. E. A life (London 1984);
 L. Menand: Discovering modernism. T. S. E. and his context (New York 1987);
 L. Gordon: E.'s new life (Oxford 1988);
 J. P. Riquelme: Harmony of dissonances. T. S. E., romanticism, and imagination (Baltimore, Md., 1991).

Universal-Lexikon. 2012.

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